Veranstaltung mit dem BHZP am 19.11.2025 in der VST Wehnen
In Kooperation mit dem BHZP und der Versuchsstation Wehnen hat TIPP eine Veranstaltung zur Digitalisierung in der Sauen- und Schweinehaltung organisiert. Aus ganz Niedersachsen kamen 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu der Veranstaltung nach Wehnen, um sich vor Ort zu informieren. Unter dem Motto „Theorie trifft Praxis“ gab es Impulsvorträge und einen Erfahrungsaustausch der Teilnehmenden.
Zunächst stellte der Betriebsleiter der Versuchsstation, Kai Gevers den Standort Wehnen vor. Die Versuchsstation für Schweinehaltung organisierte die „überbetriebliche Ausbildung in der Schweinehaltung“ für die Landwirtschaftskammer Niedersachsen (ab 1980). Im Jahr 2016 wurde der Standort als Versuchsbetrieb für die Schweinehaltung mit derzeit 80 Sauen und ca. 500 Mast- sowie ca. 450 Ferkelaufzuchtplätzen (teilgeschlossenen System) neu ausgerichtet. Digitalisierung, die Verbesserung des Tierwohls, Nährstoffmanagement oder Emissionsminderungen wurden in zahlreichen Projekten angegangen. Je nach Projekt werden unterschiedliche Buchtengestaltungen getestet, Versuchs- und Kontrollbuchten angelegt, diverses Material und Anordnungen verwendet. Um Auswirkungen auf das Verhalten der Tiere zu dokumentieren, sind umfangreiche Datensammlungen angelegt worden.
Dr. Olaf Katenkamp präsentierte aktuelle Ergebnisse aus zwei Projekten zur Digitalisierung in der Sauen- und Schweinehaltung. Die Digitalisierung war das Kernthema der Projekte DigiSchwein und TiPP, die beide vom Bundesministerium für Landwirtschaft (BMLEH) gefördert wurden. Während es im Projekt DigiSchwein um die Erprobung digitaler Sensoren und Entwicklung künstlicher Intelligenz für ein Frühwarnsystem ging, konnte das Projekt TiPP auf die digitale Technologie aufsatteln und sie im betrieblichen Kontext unterschiedlicher Haltungsformen anwenden und weiter ausbauen. Auch ein Schlachthof konnte gewonnen werden, um den sicheren Datenaustausch und Informationsverarbeitung in der Wertschöpfungskette Schwein voranzutreiben.
Ziel war es, die Transparenz und Rückverfolgbarkeit in dieser Wertschöpfungskette beispielsweise mit Blockchain-Verfahren zu optimieren. Darüber hinaus konnten Daten in Echtzeit zum Stallklima gesammelt werden, die mit Befunddaten aus dem Schlachthof, eigenen Bonituren und Behandlungsdaten von Tierärzten abgeglichen und verglichen wurden. Aus diesem umfangreichen Datenpool werten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diverse Fragestellungen zur Tiergesundheit und zum Tierwohl aus.

(Folie: Olaf Katenkamp, Auswahl von digitalen Sensoren in den Projekten DigiSchwein und TiPP)
Der Einsatz einer eigens entwickelten Künstlichen Intelligenz zur Beobachtung und Vermeidung von Schwanzbeißen (in der Ferkelaufzucht und Mast) und zum Geburtsmonitoring in der Sauenhaltung war sehr erfolgreich. Die Tieridentifikation über Ohrmarken in der Ferkelaufzucht und Mast klappt mittlerweile hervorragend (vgl. Wutke et al. 2023). Damit ist ein wichtiger Grundstein gelegt, um die Beobachtung der Tiere nach bestimmten Verhaltensmerkmalen etwa bei der Geburt zu optimieren. Die Prognose des Geburtszeitraumes ist mit KI deutlich „eingrenzbarer“ auf sechs bis 12 Stunden.
Im Projekt TiPP wurden die Erhebungen zum Einsatz künstlicher Intelligenz und digitaler Sensoren beim Schwanzbeißen in Wehnen und in vier weiteren Praxisbetrieben Ende dieses Jahres abgeschlossen. Es wurde ein besonderes Augenmerk auf das Stallklima, auf Hitzestress, auf das Angebot von Beschäftigungsmaterial und unterschiedliche Haltungsformen gelegt. Die Künstliche Intelligenz hilft dabei die Gefahr des Schwanzbeißens anhand der Schwanzhaltung zu identifizieren: Als Normalzustand wurden ca. 80 % geringelte Schwänze detektiert. Mit steigender Schwanzbeißaktivität nimmt dieser Anteil ab, bis der Täter ausgestallt wurde – so das Ergebnis einer Auswertung.
Dr. Barbara Voss von der BHZP stellte die aktuellen Programme zur Aufzucht und Selektion bei der BHZP kurz vor. Im Mittelpunkt stand die Entwicklung der Selektionskriterien für die Sau Viktoria und für den Eber Teamplayer. Bei einer Selektionsarte von 5 % werden bestimmte Merkmale verstärkt wie Mütterlichkeit, Ausgeglichenheit und Zufriedenheit. In der Basiszucht arbeitet BHZP schon seit Jahren mit Bewegungsbuchten. Selektiert werden Sauen, die sich für diese Haltung gut eignen nach Handhabung, Stabilität, Fruchtbarkeit, Gesundheit usw. Beim Eber db77.Teamplayer (Pietran) wird – neben den klassischen Leistungsdaten – großer Wert auf ruhiges Verhalten gelegt. In den Verhaltenstests wird der Charakter benotet und beim Eber Teamplayer auch der Aspekt berücksichtigt, dass neben dem ausgeglichen Grundcharakter die Ferkel seltener Schwanzbeißer werden. Auffällige Eber werden konsequent von der Zucht ausgeschlossen.
Anschließend konnten die Teilnehmenden in einem Rundgang durch den Sauenstall unterschiedliche Abferkelsysteme und Ferkelaufzuchtbuchten einsehen. In der Versuchsstation werden Bewegungsbuchten, die freie Abferkelung und der Ferkelschutzkorb betrieben und miteinander verglichen. In den Ferkelaufzuchtbuchten werden Buchtenstrukturen sowie die Gestaltung der Umgebung nach Platzangebot, Tränkesystemen, Beschäftigungsangebote, Bodenmaterial oder Ferkelnestanordnung u.a. verglichen. Aktuell wird besonders der Einfluss des Mikroklimas in unterschiedlichen Buchtenstrukturierungen auf das Verhalten der Tiere, auf Leistungsdaten und den Erkrankungen intensiver analysiert. Die Auswirkungen der Drei-Flächenbucht in der Ferkelaufzucht mit Mikroklima wirkte sich sehr positiv aus (vgl. Gevers 2025).
Nach Auswertung der Leistungsdaten aller Tiere konnten die Ergebnisse im Jahr 2025 im Vergleich zum Vorjahr 2024 leicht gesteigert werden. Für die tägliche Gewichtszunahme in der Mast 984 gr. (um 1,4%) und in der Ferkelaufzucht (FAZ) 469 gr. (um 1,7 %). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die FAZ entgegen der gängigen Praxis bereits nach 5,5 Wochen beendet ist. Die Verluste an aufgez. Tieren lagen bei 0,8 % (FAZ) und 1,3 % (Mast) in 2025 und reduzierten sich damit um 33 % (FAZ) bzw. 50 % (Mast).
Digitalisierung wird in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen – so auch in der Sauen- und Schweinehaltung. Ein zentrales Anliegen in der Versuchsstation Wehnen ist es, die Dokumentation und den Lebenslauf der Tiere durch digitale Hilfsmittel noch effizienter zu gestalten. Unzählige Daten werden erstmals in Echtzeit erfasst – von jedem einzelnen Tier zur Fütterung, zum Trinkverhalten, zur Gesundheit u.v.m. Auf der Gruppenebene (in den Buchten) wurde das Stallklima (Temperaturwerte, Feuchtigkeit, Licht, Ammoniak, Co2) 24/7 erhoben. Die Identifizierung jedes einzelnen Schweins/Sau über Ohrmarken und RFID sei gelungen, die Erfassung der Tiererkennung und des Verhaltens der Tiere (v.a. Schwanzbeißen in der FAZ und Mast) über Künstlicher Intelligenz konnte durch beide Projekte in Wehnen deutlich optimiert werden. Das Dashboard über das Stallklima stellt eine Fülle von Daten tag- und buchtengenau zur Verfügung. Jetzt kommt es darauf an dieses Füllhorn von Daten intensiver auszuwerten und belastbare Zusammenhänge zum Tierwohl und zur Tiergesundheit eindeutiger herauszuarbeiten. Im Bereich künstlicher Intelligenz konnten große Fortschritte erzielt werden: die Früherkennung von Schwanzbeißen in der FAZ/Mast und die Unterstützung des Geburtsmonitorings im Sauenstall konnten erfolgreich mittels Künstlicher Intelligenz verbessert werden.
QR-Code vom Dashboard

https://demo.digischwein.uni-oldenburg.de
Kai Gevers: Kupierverzicht – bessere Buchtenstrukturierung nach Umbau, Webcode 01043980 (Stand: 28.02.2025)
Martin Wutke, Jan-Hendrik Witte ua.a. (2023): Entwicklung eines automatischen Monitoringsystems für die Geburtsüberwachung bei Sauen, in: GIL Jahrestagung, Bonn, S. 537ff.
Philipp Heseker, Tjard Bergmann, Marina Scheumann , Imke Traulsen Nicole Kemper & Jeanette Probst (2024): Detecting tail biters by monitoring pig screams in weaning pigs, www.nature.com/articles/s41598-024-55336-7
